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Fastenimpuls zur Tageslesung am 6. April
Die Freunde Daniels im Feuerofen (Dan 3) - Vom großen und kleinen Widerstand (Heribert Prantl)
„Viellicht gibt es schönere Zeiten. Aber dies ist unsere Zeit.“ So formulierte es der französische Philosoph Jean-Paul Sartre. Unsere Zeit- eine Zeit, in der viele bisherigen Sicherheiten unseres Lebens einfach ausgelöscht wurden. Es ist, als ob die Putins und Nebukadnezzars, die Populisten, Militaristen, Nationalisten und Rassisten, deren Zeit wir doch schon abgelaufen dachten, als ob diese die bisherigen Grundgewissheiten einfach wegsaugten. Als ob die Welt bodenlos würde, als ob das „Recht“ des Stärkeren, Skrupellosen, Gewaltsamen doch noch die Oberhand gewinnen würde- bedingungslose Unterwerfung.
In seinem herausragenden Buch „Vom großen und kleinen Widerstand“ skizziert Heribert Prantl, der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, die heutige Aufgabe von Religion und Spiritualität angesichts der Herausforderungen unserer Zeit. Prantl plädiert dabei, ganz im Sinne des großen Theologen Johann Baptist Metz, für eine „Spiritualität der offenen Augen“. Eine Spiritualität, die kein leicht verdauliches, nicht zu hoch dosiertes persönliches Wellnessprogramm ist, welches nur für das eigene religiöse Bedürfnis konsumiert. Spiritualität ist nach Prantl vielmehr da, wo man sich inspirieren lässt von den Leidenserfahrungen der Mitmenschen und Mitgeschöpfe, wo man die Sinne für diese schärft. Spiritualität taucht die Not nicht ins Kerzenlicht, sondern wirft ein Licht auf die Verhältnisse, in denen Not und Gewalt entstehen. Spiritualität, die Leidenschaft für Gott, bedeutet die (Mit-) Leidenschaft für Menschen, Tiere und Pflanzen. Spiritualität entsteht, wo man sich das Leiden des Anderen zumuten lässt und solidarisch mit ihm wird, mitmenschlich, seelsorglich, politisch.
Eine solche Spiritualität handelt nicht aus dem Motiv, die Menschen (wieder) für die Kirche interessieren zu wollen. Eine solche Spiritualität handelt, weil es den Menschen und der Natur schlecht geht. Weil sie hungern, Durst haben, krank sind, Weil sie gefangen, einsam, auf der Flucht und verfolgt sind. Weil diese Spiritualität gar nicht anders kann als barmherzig zu sein, solidarisch, nächstenliebend. Weil wir uns sonst unser ganzes Reden über Gott sparen können. Weil Jesus selbst es ist, dem wir in den bedrängten Menschen dieser Welt begegnen.
Eine Spiritualität der offenen Augen, eine Spiritualität des großen und kleinen Widerstands, die Not anprangert und sich gegen Gewalt und Unterdrückung zur Wehr setzt. Eine Spiritualität, die bereit ist, für ihre Überzeugung und für die Menschen notfalls auch durchs Feuer zu gehen- in der Hoffnung, dass Gott auch und gerade im großen und kleinen Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten unserer Zeit bei uns ist.
Georg Toporowsky
Heribert Prantl, Vom großen und kleinen Widerstand. Süddeutsche Zeitung Edition. München 2018.