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Die anderen jüdischen Menschen sagten ihm: »Nun wissen wir ganz genau, dass du von einem Dämon besessen bist…“ … Da hoben sie Steine auf, um sie auf ihn zu werfen… (Joh, 8,52 und 59a, Bibel in gerechter Sprache)
Verrückt – oder?
Kennen Sie einen Menschen, der – zwar nicht politisch korrekt, so aber doch mitunter hinter vorgehaltener Hand - als verrückt oder bekloppt bezeichnet wird?
Verrückt, bekloppt, „et an de Nerve han“, antriebslos, gehetzt, wahnsinnig sein… - Mir fallen etliche Menschen ein, von denen ich weiß, dass sie eine psychische Erkrankung haben: Angefangen bei Essstörungen, über Erschöpfungsdepressionen, auch Burn-Out genannt, Alkohol- und Tablettenabhängigkeit, Depressionen bis hin zu Wahnvorstellungen, manchmal verbunden mit selbstverletzendem Verhalten oder Selbsttötungsabsicht… Statistisch erleidet jeder 5. Mensch in der Bundesrepublik Deutschland einmal im Leben eine Depression.
Heute werden Menschen, egal mit welcher psychischen Erkrankung, hier in Deutschland von Psychiater/innen behandelt. Diese haben Medizin studiert und sich anschließend in mehreren Jahren zu Fachärzten/innen „Neurologie/Psychiatrie“ ausbilden lassen. Zudem findet meist eine kombinierte medizinisch-psychologische Behandlung statt, an der Psychologen/innen mitwirken. Aber auch im 21. Jahrhundert werden in religiösen Gemeinschaften, wie in der katholischen Kirche Deutschlands, nach wie vor Experten für Exorzismus benannt, die die Aufgabe haben „Besessene“ zu heilen.
Auch von Jesus heißt es im Johannesevangelium, dass er von einem Dämon besessen ist. Aus heutiger Sicht ist ein Besessener ein Mensch mit Wahnvorstellungen, der gut daran täte sich mal einer/m Facharzt/ärztin vorzustellen. Wie kam es dazu, Jesus als Besessenen zu bezeichnen? Vielleicht hilft der Blick in die Vergangenheit und leider auch noch in die Gegenwart, wie der Fall Gustl Mollath zeigt: Nicht nur Menschen, die psychisch krank sind, werden in psychiatrische Fachkrankenhäuser, früher auch Nervenheilanstalten oder Irrenanstalten gesteckt, sondern auch oft „unbequeme“ Menschen – mit dem Ziel, sie zur „Vernunft zu bringen“ oder/und sie aus dem Weg zu schaffen.
Dieses Anliegen hatten auch die Menschen im Tempel in Jerusalem, sie denunzieren Jesus als „Besessenen“, damit seine Ideen die Menschen nicht länger unruhig machten. Sie wollten diesen Unruhestifter, der die als normal empfundenen Lebensverhältnisse kritisch anfragte, „aus dem Weg schaffen“, ihn töten.
Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich die Despoten dieser Tage – im Großen wie im Kleinen - als narzisstische Psychopathen verurteile und es in meiner Phantasie als erleichternd empfinde, wenn sie aus dem Weg geräumt wären. Auch wenn es nur in meinem Kopf geschieht, wo ist der Unterschied?
Ida Prinz-Hochgürtel