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Fastenimpuls zur Tageslesung vom 15. März 2022 (Jes 1,10.16-20)
„Helft den Unterdrückten!“ (Jes 1,17)
„Helft den Unterdrückten“- ein Satz, der gleichermaßen einleuchtend wie unmöglich erscheint: natürlich wollen wir den Unterdrückten helfen, den Benachteiligten, Armen, unter Ungerechtigkeit leidenden Menschen dieser Welt, insbesondere im globalen Süden der Erde. Aber: Wie soll das gehen? Was kann ich denn schon ausrichten, wie kann ich denn den Unterdrückten wirklich helfen, außer mit einer Spende, z.B. bei der Misereor-Kollekte?
Eine wie ich finde, sehr überzeugende Antwort auf die Frage nach den eigenen Handlungsmöglichkeiten gibt der Soziologe Stephan Lessenich in seinem sehr aufschlussreichen, aber auch herausfordernden Buch „Neben uns die Sintflut“. Seine Antwort lautet vereinfacht: Helft den Unterdrückten, indem ihr die Unterdrückung beendet. Oder, besser gesagt: Beendet die Unterdrückung, an der ihr selbst (meist ungewollt und unbewusst) beteiligt seid! Denn, so zeigt Lessenich an vielen konkreten Beispielen auf: „Wir leben nicht über unsere Verhältnisse. Wir leben über die Verhältnisse der anderen.“ Der Münchner Soziologe spricht von „Externalisierung“, von unserem guten Leben auf Kosten anderer, von der Ausbeutung fremder Ressourcen, von der Abwälzung der Kosten auf Außenstehende (Menschen und Natur), Aneignung der Gewinne im Inneren, Beförderung des eigenen Aufstiegs bei Hinderung des Fortschreitens anderer. Papst Franziskus, den Lessenich ausdrücklich als einen der wenigen wirklichen Verbündeten für sein Anliegen betrachtet, spricht von einer „Wirtschaft, die tötet“, wenn Menschen ausgegrenzt und wie Müll behandelt werden. Das Hilfswerk MISEREOR prangert die ungerechten wirtschaftlichen Strukturen in der Welt, durch die so viele Menschen unterdrückt werden, schon seit vielen Jahren an.
Helft den Unterdrückten- beendet die Unterdrückung!
Dem Propheten Jesaja hätte die engagierte Stellungnahme von Stephan Lessenich, auch wenn diese an der ein oder anderen Stelle etwas relativiert und differenziert werden sollte, sicher gefallen. Beide plädieren dafür, die bestehenden unterdrückerischen Verhältnisse nicht mehr länger hinzunehmen. Jesaja weiß bei seinem Eintreten für die Unterdrückten Gott an seiner Seite: „Kommt her, wir wollen sehen, wer von uns Recht hat, spricht der Herr.“ (1,18) Und er weiß, dass ein faires, gerechtes Miteinander zum Wohl aller führt: „Wenn ihr bereit seid, zu hören, sollt ihr den Ertrag des Landes genießen.“ (1,19)
Helft den Unterdrückten, beendet die Unterdrückung!
Georg Toporowsky
Stephan Lessenich, Neben uns die Sintflut. Wie wir auf Kosten anderer leben. München 2018